Feine Sahne Fischfilet: Wir würden kein Festival spielen wo Frei.Wild. spielt oder gespielt hat.
Link-s.Gelenkt. feiert heute am 23.03.2018 5-jähriges Jubiläum. Zur Feier des Tages hatte ich die Ehre Christoph (Gesang, Gitarre) und Jacobus (Trompete) von den Chartstürmern „Feine Sahne Fischfilet“ exklusiv am Rande Ihres Konzerts in Dortmund für Link-s.Gelenkt. zu interviewen.
Vielen Dank für diese tolle Gelegenheit!
Ihr seid mit Audiolith bei wohl DEM politischen Label schlechthin unter Vertrag. Ist es Euch als Künstler wichtig bei einem Label zu sein, dass sich auch ganz bewusst in gesellschaftspolitische Fragen einmischt und Flagge zeigt?
Feine Sahne Fischfilet: Das ist ja mehr oder weniger zufällig damals entstanden. Aber es hat sicherlich auch was damit zu tun, das man ähnliche Anknüpfungspunkte hat, auch politisch. Und oftmals merkt man gar nicht wie gut das ist jemanden an der Seite zu haben der auch politisch die gleiche Sprache spricht. Ich glaube es gibt in Deutschland kein anderes Label was so sensibel mit solchen Themen umgehen kann und solche Themen versteht, die uns wichtig sind, dies aber auch offen in Eigeninitiative vorantreibt. Und das ist uns schon sehr wichtig. Dies ist ein Punkt ist, weshalb wir die Zusammenarbeit so gut finden.
Es ist einfach gut jemanden an der Seite zu haben der ein offenes Ohr für unsere Ideen hat und einfach mit schwimmt.
Ihr habt es 2011 in den VS-Bericht geschafft. Damit seid ihr ja relativ offensiv umgegangen und habt dem VS sogar einen Präsentkorb vorbei gebracht. Aber mal Hand aufs Herz: Macht man sich in stillen, privaten Momenten nicht doch Gedanken darüber, dass so eine Beobachtung gravierende Auswirkungen auf Privat oder Berufsleben haben könnte?
Feine Sahne Fischfilet: Wir sind damit immer offensiv umgegangen, weil das, glaube ich, der beste Umgang für sich selber und auch politisch war. Wir haben das ein bisschen ins Lächerliche gezogen, aber natürlich macht man sich im Hintergrund Gedanken. Wird man abgehört? Und das kann einen auch schon belasten. Und die Presse war ja sehr auf unserer Seite, aber die Presse ist ja auch mal ganz schnell auf der anderen Seite, wie wir wissen. Und ich glaube wir hatten ein bisschen das Glück, dass es funktioniert hat und wir jetzt auch viele Leute erreichen und das ist irgendwie unsere Sicherheit. Aber es kann irgendwann mal so sein, dass es nicht mehr so ist. Und dann kann das, glaube ich, schon noch böse sein. Gleichzeitig muss man schon sagen, wir haben das schon sehr ins Lächerliche gezogen, aber grundsätzlich ist diese Behörde nicht lächerlich sondern sie ist absolut gefährlich. Auch wenn wir damit einen relativ laxen Umgang mittlerweile haben, darf man nicht vergessen, dass diese Behörde den NSU maßgeblich unterstützt und finanziert hat. Da ist ja bis heute nichts aufgeklärt und wird sich auch nicht aufklären.
2016 bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern ist die AfD mit knapp 21% zweitstärkste Kraft geworden. Habt ihr seitdem irgendwelche Veränderungen festgestellt – sei es im Bezug auf die künstlerische Freiheit ( z.B. schwerer Konzerte in ländlichen Gebieten zu geben, weil rechte Bündnisse/Parteien versuchen zu verhindern, Bedrohungen) oder auch ganz allgemein bezogen auf das alltägliche Leben?
Feine Sahne Fischfilet: Es war schon immer relativ trüb bei uns im ländlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in den Städten. Es ist natürlich keine Eigenheit, das gibt es auch in Sachsen oder in Brandenburg, aber auch auf dem Land in Baden-Württemberg. Durch die Wahl hat sich das alles nochmal mehr im Parlament manifestiert. Es kam bspw vor, dass Konzerte-Orte von uns vorher angegriffen worden sind, indem Buttersäure rein geschmissen wurde. So wurde versucht das Konzert zu verhindern, welches letztendlich nicht stattgefunden hat. Das ist natürlich echt scheiße, aber es wird nicht besser werden. Es wird wahrscheinlich schlimmer werden, aber ich hab jetzt nicht das Gefühl, dass es durch die Wahl, so einen krassen Schub gab. Der Normalzustand ist schon seit langer Zeit so.
Die AfD ist dafür maßgeblich verantwortlich, das sich diese gesellschaftliche Debatte, in den letzten Jahren, so krass verschoben hat. Das was wir heutzutage als Normalzustand wahrnehmen, ist eigentlich nicht der Normalzustand. Wir sind davon vielleicht gar nicht so betroffen, klar war es immer etwas problematisch mit den Behörden, wo wir Konzerte veranstalten wollten, gerade in Mecklenburg-Vorpommern. Bei dem Festival in Jarmen, welches wir veranstalten, war es das erste mal das die Behörden nicht von Anfang an komplett dagegen waren. Es war auch nicht alles easy und wir hatten immer Schwierigkeiten mit anderen Bands, die sich nicht politisch geäußert haben.
Aber die AfD hat es geschafft, dass sich andere Parteien und die gesamte Gesellschaft, im Prinzip, nach denen richten und orientieren. Und damit haben sie einen riesigen Erfolg geschafft, was Debatten und Migration betrifft oder auch wie wir leben wollen. Sie haben es geschafft die Debatte komplett zu dominieren, indem sich die ganzen Parteien auch daran orientieren. Und das ist was auch in Mecklenburg-Vorpommern passiert ist.
Wir werden in den nächsten 10 – 15 Jahren merken, es wird sich auf uns auswirken. Aber auf die Schnelle sehe ich keine krasse Zensur. Natürlich ist es so, dass man sich im Bundestag rassistische Reden von Beatrix von Storch anhören muss, aber vorher war die ebenso rassistische CSU schon da. Aber durch die AfD wird das alles nochmal breiter und größer. Die Rechten und Rassisten werden mehr und dominieren die öffentliche Debatte. Wir werden sehen.
Aber zum Beispiel haben wir unsere Release-Party, für unser neues Album >Sturm&Dreck<, auf dem Land gemacht, in dem kleinen Ort Loitz, wo sich die Band gegründet hatte. Und in dieser Kleinstadt hat es die lokalen Nazis auch aktiviert und die haben dort dann gesprayt. Aber die Mehrheit der Stadt war hinter uns, trotzdem hatten wir erstmals wieder Ärger. Wir sind davon, positiv gesehen, abgestumpft, auch wenn es nicht so geil ist, so abgestumpft zu sein. Für uns ist das jedoch völlig normal, wir können damit umgehen.
In Eurem Shop kann man T-Shirts mit dem Aufdruck „Niemand muss Bulle sein“ kaufen. Natürlich wissen wir um die Repressionen des Staates und der Behörden gegenüber Antifaschist*Innen. Doch meint Ihr eine Gesellschaft ganz ohne Exekutivorgane wie die Polizei könnte funktionieren?
Feine Sahne Fischfilet: Vielleicht hat jeder von uns noch utopische Gedanken an eine Gesellschaft in der es so sein kann, aber uns ist es ganz klar, dass es zu meinen Lebzeiten nicht mehr passieren wird. An dem T-Shirt, an den Plakaten und an der Textzeile haben sich viele Leute gestoßen oder stoßen sich viele Leute heute noch. Und das ist was wir damit ein bisschen bezwecken wollen. Es ist manchmal auch gut den Spiegel umzudrehen und damit Leute zu provozieren, dafür ist eine Band auch da. Ich finde es auch krass, was für Maßstäbe manchmal an uns gesetzt werden. Also, was wir sagen dürfen und was wir nicht sagen dürfen. Und das bei so einer Aussage wie „Niemand muss Bulle sein“, die meiner Meinung nach eine sehr entspannte Aussage ist, sich Leute dran stoßen, ist auch nur ein Zeichen, das zeigt, wie unsere Gesellschaft tickt. Und das ist das Traurige da dran.
Machen wir mal ein kleines Gedanken-Experiment: Ihr seid auf einem coolen Festival, doch die Organisatoren haben sich verplant. Und jetzt müsst ihr Euch einen Backstage-Room mit Frei.Wild teilen. Wie würde das ausgehen? Beef oder Bierchen trinken?
Feine Sahne Fischfilet: Wir würden das Festival absagen. Wir würden kein Festival spielen, wo Frei.Wild spielt oder gespielt hat. Wir spielen auch in keinen Läden, wo Frei.Wild schon gespielt hat. Es ist so marginal, natürlich denkt man sich „Okay, das wäre der perfekte Laden.“ Wir machen uns schon sehr viele Gedanken darüber und es gibt auch fast gar nicht 100% coole Läden. Und da ist es auch toll, dass das Booking bei Audiolith da unsere Wünsche respektiert.
Es gibt auch Festivals die uns Buchen wollten, wie Wacken, und da können wir nicht spielen, weil da dann teilweise Bands spielen wo wir sagen „ey nee“. Und ich glaube anders kann man Leute nicht erziehen.
Das aktuelle Album Sturm&Dreck – auf Platz 3 der Deutschen Albumcharts eingestiegen – könnt Ihr hier bekommen.
Link zum Originalinterview: http://www.links-gelenkt.de/2018/03/23/feine-sahne-fischfilet-wir-wuerden-kein-festival-spielen-wo-frei-wild-spielt-oder-gespielt-hat/
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